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Psychoanalyse und TFP

„Wir sind allein. Niemand weiß, wer hier verrückt ist. Man kann nur versuchen die Verrücktheit zu beschreiben“

Otto Kernberg über die Schwierigkeiten mit den schweren Störungen. Bericht über die Veranstaltung vom 20.06.2013 in München.

Im Kli­ni­kum rechts der Isar der TUM im Glas­pa­vil­li­on war­tet ein gefüllter Raum mit überwiegend Psy­cho­ana­ly­ti­kern, ein paar Stu­den­ten und Aus­bil­dungs­kan­di­da­ten auf den Vor­trag „Psy­cho­ana­ly­se und TFP – Gemein­sam­kei­ten und Unter­schie­de in der Behand­lung von Pati­en­ten mit Per­sön­lich­keits­stö­run­gen“ von Herrn Pro­fes­sor Kern­berg. Die MAP Mit­ar­bei­ter sind sicht­lich stolz und geehrt, daß sie Pro­fes­sor Kern­berg für die­sen Vor­trag gewin­nen konn­ten. Er hat, so heißt es in der Ein­lei­tung, bereits überall auf der Welt Vor­trä­ge gehal­ten. Wir sehen einen 85 jäh­ri­gen Mann, der ganz still sei­ne Auf­merk­sam­keit der Ein­lei­tung wid­met. Dann wird das Wort übergeben und Herr Prof Kern­berg stellt zuerst TFP vor. Er wirkt um min­des­tens 30 Jah­re verjüngt, als er anfängt zu spre­chen. Das Publi­kum hängt fas­zi­niert an sei­nen Lippen.

Zunächst unter­schei­den sich die äuße­ren Rah­men­be­din­gun­gen zwi­schen Psy­cho­ana­ly­se und TFP, bei TFP wird kei­ne Couch ver­wen­det. Die Fre­quenz beträgt zwei Stun­den die Woche und hat somit weni­ger Inten­si­tät als die Psy­cho­ana­ly­se. Die Min­dest­dau­er beträgt ein bis ein­ein­halb Jah­re. Die Behand­lung ist manua­li­siert und es gibt drei ran­do­mi­sier­te, Stu­di­en, wel­che die Effek­ti­vi­tät bele­gen. Wir wid­men uns der Fra­ge, ob tech­nisch manua­li­sier­te Psy­cho­ana­ly­se sein darf. Prof Kern­berg beant­wor­tet die­se Fra­ge, obwohl er auch Ver­ständ­nis für Skep­sis gegenüber der Manua­li­sie­rung hat, mit Zustim­mung. Die Indi­vi­dua­li­tät der Behand­lung würde sei­ner Mei­nung nach nicht abge­spro­chen wer­den, nur weil man Tech­nik als all­ge­mei­ne Prin­zip ver­wen­de, um neue Metho­den zu erforschen.

Es gibt Stö­run­gen, so Kern­berg, die mit Psy­cho­ana­ly­se nicht behan­delt wer­den kön­nen. Dies sind vor allem schwe­re Ich-Stö­run­gen, Iden­ti­täts­stö­run­gen, Stö­run­gen im sexu­el­len Leben, der Arbeit, der Bezie­hungs­ge­stal­tung oder Lie­be, auch bei Pati­en­ten mit Stö­run­gen der Impuls­kon­trol­le. Sowohl Klei­nia­ni­sche Psy­cho­ana­ly­se, Ich-Psy­cho­lo­gie, Rela­tio­na­le Psy­cho­ana­ly­se, psy­cho­ana­ly­ti­sche Selbst­psy­cho­lo­gie und auch die Lacan’sche Psy­cho­ana­ly­se liegt nach Kern­berg eine gemein­sa­me Tech­nik zugrun­de, die aus 4 Kom­po­nen­ten besteht. Er zitiert an die­ser Stel­le zunächst Mer­ton Gill, von dem man sagt „er tut so, als ob er nicht Gott sei“ – das Publi­kum bricht in Geläch­ter aus – der pos­tu­lier­te, dass Über­tra­gungs­ana­ly­se, Deu­tung und tech­ni­sche Neu­tra­li­tät (wobei dies natürlich kei­ne kal­te Neu­tra­li­tät meint, der Ana­ly­ti­ker wird aber auch nicht zur Mut­ter, er hat star­ke Gefühle, aber bleibt immer der aus­ge­schloss­se­ne Drit­te). Was Gill fehl­te, war die Gegenübertragung.

Bei der TFP muss der Ther­peut, wenn nötig, die Neu­tra­li­tät ver­las­sen. Es gibt Situa­tio­nen bei den schwer gestör­ten Pati­en­ten, so Kern­berg, „da müssen wir inter­ve­nie­ren“. Ein „schwer selbst­zer­stö­re­ri­sches Ich“ weckt „den Ter­ror des Ana­ly­ti­kers“ und die­ser ist not­wen­dig, um dem Pati­en­ten zu spie­geln, dass es da auch noch einen Über­le­bens­wil­len gibt. 

Bei der TFP muss der Ther­peut, wenn nötig, die Neu­tra­li­tät ver­las­sen. Es gibt Situa­tio­nen bei den schwer gestör­ten Pati­en­ten, so Kern­berg, „da müssen wir inter­ve­nie­ren“. Ein „schwer selbst­zer­stö­re­ri­sches Ich“ weckt „den Ter­ror des Ana­ly­ti­kers“ und die­ser ist not­wen­dig, um dem Pati­en­ten zu spie­geln, dass es da auch noch einen Über­le­bens­wil­len gibt. All die­se Tech­ni­ken gibt es auch in der TFP, aller­dings gibt es Unter­schie­de in der Art, wie die Tech­ni­ken umge­setzt wer­den. Kern­berg hält jedoch fest „es ist Tech­nik, die uns erlaubt The­ra­pien mit­ein­an­der zu ver­glei­chen“ und das ist der Grund wie­so er so wirkt, als ob er die Kon­kur­renz zwi­schen zwi­schen Psy­cho­ana­ly­se und ande­ren Psy­cho­the­ra­pie­for­men bedau­er­lich fin­det. Bei der TFP muss der Ther­peut, wenn nötig, die Neu­tra­li­tät ver­las­sen. Es gibt Situa­tio­nen bei den schwer gestör­ten Pati­en­ten, so Kern­berg, „da müssen wir inter­ve­nie­ren“. Ein „schwer selbst­zer­stö­re­ri­sches Ich“ weckt „den Ter­ror des Ana­ly­ti­kers“ und die­ser ist not­wen­dig, um dem Pati­en­ten zu spie­geln, dass es da auch noch einen Über­le­bens­wil­len gibt. Man kann nicht deu­ten und abs­ti­nent sein, wenn der Pati­ent sich ver­sucht vor einem umzu­brin­gen. Es erklärt sich von selbst, dass TFP nur bei Pati­en­ten ange­wen­det wer­den muss, bei denen eine Art „vol­kom­me­ner Zusam­men­bruch“ statt­ge­fun­den hat. Die­se Pati­en­ten sind in einem oder meh­re­ren Berei­chen nicht mehr in der Lage selbst­stän­dig zu leben. 

Auch die Gegenübertragung sei immens wich­tig. Freud hat es bekannt­lich nicht ertra­gen, den gan­zen Tag von sei­nen Pati­en­ten ange­schaut zu wer­den. So ist die Couch auch ein Schutz für den Ana­ly­ti­ker, um sich bes­ser auf den Pati­en­ten zu kon­zen­trie­ren. Aller­dings ereig­nen sich bei schwer gestör­ten Pati­en­ten manch­mal nahe­zu „ver­steck­te Tra­gö­di­en“, so Kern­berg, „zwi­schen den Behand­lun­gen“, von denen dem The­ra­peut nicht berich­tet wird. So ist dem­nach wich­tig genau zu beob­ach­ten, was der Pati­ent in einem aus­löst. Die Bezie­hung zu sol­chen Pati­en­ten wird so ver­zerrt, dass man schnell verführt wird, das Ver­hal­ten als nor­mal zu fin­den und er lei­tet die The­ra­peu­ten an, nichts, bezie­hungs­wei­se so wenig wie mög­lich von sich zu erzäh­len. Es ist in Ord­nung, wenn der Ana­ly­ti­ker verspürt, er würde ger­ne mit der Pati­en­tin auf den Baha­mas lie­gen „bzw. in Deutsch­land wäre es wahr­schein­lich die Tos­ka­na“ , so Kern­berg, aber er muss sich bewusst wer­den, warum. 

Kern­berg fährt fort mit Bei­spie­len von schwer gestör­ten Pati­en­ten. Er berich­tet von einer Pati­en­tin, die alle sei­ne Pflan­zen abschnitt, das Schloß sei­ner Türe auf­brach und sein Haus abbrann­te; bei sol­chen Pati­en­ten sei es auch in Ord­nung, wenn der Ana­ly­ti­ker sich den Wunsch ein­ge­steht, es gäbe ein „Plopp-Geräusch, wenn die Pati­en­tin aus dem Fens­ter sprin­gen würde“. Gegenübertragung spüren und zulas­sen kön­nen ist hier die Devise! 

Kern­berg fas­zi­niert das Publi­kum mit einer Ehr­lich­keit im Pati­en­ten­kon­takt, die zunächst ein biss­chen maka­ber, viel­leicht unhöf­lich wirkt. Und doch sind sei­ne Deu­tun­gen nicht nar­ziss­tisch oder von „oben her­ab“, im Gegen­teil, mit der Ehr­lich­keit schwin­gen auch die Gefühle für die Pati­en­ten mit. Prof. Kern­berg scheint viel mehr von dem aus­zu­spre­chen, wofür sich manch ande­rer Psy­cho­ana­ly­ti­ker schä­men würde. Man kann eben nicht immer nur mit­lei­den. Und doch erträgt er die­se Grenzüberschreitungen sei­ner Pati­en­ten, was eine Pro­fes­sio­na­li­tät und Empa­thie gera­de­zu vorraus­setzt. Das Publi­kum lacht, als er berich­tet, auf die fol­gen­de Aus­sa­ge einer Pati­en­tin „ich wünschte sie wären ein Kän­gu­ru und ich würde in ihrem Beu­tel sit­zen“ geant­wor­tet zu haben „Das ist ganz nor­mal für ein 3 Mona­te altes Kind“ und die Pati­en­tin ant­wor­tet empört „aber ich bin 25 Jah­re“ und Kern­berg ant­wor­te­te „ja und genau das ist anschei­nend ihr Problem“.

Es scheint als würde er gera­de mit die­ser Ehr­lich­keit die Rea­li­tät die­ser Pati­en­ten wie­der her­stel­len. „Sicher“ sagt er „wir wis­sen nicht wer von uns bei­den verrückt ist, aber wir kön­nen ver­su­chen die Verrücktheit zu beschrei­ben und so eine Rea­li­tät wie­der herstellen“ .

Psychoanalyse und TFP

Mit Otto Kernberg

20.06.2013 // Technische Universität München

Organisiert und veranstaltet von Münchner Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalyse e.V.