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Robot & Frank (2012)

Der Mensch ist undurchsichtig

Ein älte­rer Mann bricht in ein Haus ein, schleicht durch die Räu­me und leuch­tet mit einer Taschen­lam­pe umher, bis sein Blick auf ein Bild fällt – und er ent­deckt, dass er in sei­nem eige­nen Haus ist. Frank, ein ehe­ma­li­ger Ein­bre­cher­kö­nig, fin­det sich immer schlech­ter im All­tag zurecht. Sein besorg­ter Sohn Hun­ter stellt ihm daher eines Tages einen Pfle­ge­ro­bo­ter zur Sei­te, den Frank zunächst nur feind­se­lig beäugt. Spä­ter wird Frank merkwürdig anrührend sagen: „Ich brau­che ihn. (…) Er ist mein Freund.“.

Doch was ist das für eine „Freund­schaft“, von der der Film erzählt? Es ist überhaupt kei­ne, muss man fest­stel­len. Robot ist kein Mensch, er hat kei­ne Per­sön­lich­keit – das sagt er und es stimmt. Der Zuschau­er wird kei­nen der bekann­ten Robo­ter­film-Momen­te erle­ben, in denen er erleich­tert merkt: „Ach, er hat DOCH ein Herz!“. Aber genau des­halb ist der Film groß­ar­tig und berührend. Frank ist Mensch genug, mit allen Häss­lich­kei­ten, Macken und Pro­ble­men, und es ist Frank, des­sen Natur man lie­ben lernt. Der Robot drängt ihn nicht mit sei­ner „überraschenden“ Liebenswürdigkeit in den Hin­ter­grund; er stellt sich wirk­lich als der But­ler her­aus, als den ihn Hun­ter sei­nem Vater zu ver­kau­fen versucht.

In Sig­mund Freuds „Notiz über den Wunderblock“ ​(Freud, 1925)​ wird der psy­chi­sche Appa­rat mit einer Schreib­ta­fel ver­gli­chen, die Schrift zeigt, wenn durch eine har­te Folie hin­durch Wachs­pa­pier und Wachs­ta­fel aneinandergedrückt wer­den. Die Schrift ver­schwin­det, wenn das Wachs­pa­pier wie­der von der Tafel abge­ho­ben wird. Die erschei­nen­de und wie­der ver­schwin­den­de Schrift setzt Freud mit den Inhal­ten des Wach­be­wusst­seins gleich; die Wachs­ta­fel, in die sich, von außen unsicht­bar, tie­fe Spu­ren dau­er­haft ein­gra­ben kön­nen, mit dem Unbe­wuss­ten. An die­se Beson­der­heit – die Unvor­her­seh­bar­keit, die unein­seh­ba­re Tie­fe des Men­schen – erin­nert der Film: mit dem stu­ren, ver­gess­li­chen, undurch­sich­ti­gen Frank und der alten, dunk­len, ver­schach­tel­ten Stadt­bi­blio­thek, die er immer noch regel­mä­ßig besucht.

Im Gegen­satz zum Rech­nen ist das Den­ken nicht trans­pa­rent. Das Den­ken folgt nicht den vor­aus­be­rech­ne­ten Bah­nen, son­dern begibt sich ins Offene.

Byung-Chul Han

Doch der Film zeigt auch, wie eine ande­re Art von Bewusst­sein mit einer ande­ren Art von Gedächt­nis aus­se­hen könn­te. Robot hat einen Spei­cher. Die­ser besitzt schier uner­mess­li­che Grö­ße und ist alles ande­re als anfäl­lig für Ver­gess­lich­keit. Auch die Biblio­thek wird im Film noch in die­ses For­mat überführt, digi­tal archi­viert von den ver­snobt-avant­gar­dis­ti­schen Kul­tur­schaf­fen­den der Zukunft, damit nichts ver­lo­ren geht. 

Doch geht nicht viel­leicht etwas ver­lo­ren, das kei­ne blo­ße Infor­ma­ti­on ist? Der deut­sche Medi­en­theo­re­ti­ker und Phi­lo­soph Byung-Chul Han schreibt: „Im Gegen­satz zum Rech­nen ist das Den­ken nicht trans­pa­rent. Das Den­ken folgt nicht den vor­aus­be­rech­ne­ten Bah­nen, son­dern begibt sich ins Offene.“ ​(Han, 2012)​. Und manch­mal, so möch­te man nach dem Besuch von „Robot & Frank“ ergän­zen, begibt sich das unvor­her­seh­ba­re mensch­li­che Den­ken eben auch in die Häu­ser ande­rer Leu­te, um sich deren Dia­man­ten anzueignen

Referenzen
  1. Freud, S. (1925). Notiz über den “Wun­der­block.” In Gesam­mel­te Wer­ke (Vol. 14, pp. 3–8). S. Fischer.
  2. Han, B.-C. (2012). Trans­pa­renz­ge­sell­schaft. Matthes & Seitz.
Robot & Frank (2012)

Science-Fiction von Jake Schreier

Mit Frank Langella, James Marsden, Liv Tyler, Susan Sarandon