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Die universitäre Psychologie auf der Couch

Psychoanalytische Tagung an der Uni Köln

Unser Ver­ein hat mit gro­ßer Vor­freu­de und vie­len Erwar­tun­gen die­se Tagung in Köln orga­ni­siert. Die Idee dahin­ter war, die der­zei­ti­ge Stel­lug der Psy­cho­ana­ly­se an Uni­ver­si­tä­ten und in der Leh­re zu beleuch­ten und zu hin­ter­fra­gen. Wir haben uns beson­ders auf den Aus­tausch zwi­schen Stu­die­ren­den und Prak­ti­zie­ren­den gefreut, ins­be­son­de­re die Moti­va­ti­on und Hal­tung der Stu­die­ren­den zum The­ma Psy­cho­ana­ly­se. Eben­so moti­vier­te uns die Fra­ge­stel­lung, wie sich Psy­cho­ana­ly­ti­ker und Ver­bän­de in das Vor­ha­ben ein­brin­gen kön­nen, die Psy­cho­ana­ly­se an den Uni­ver­si­tä­ten wie­der stark zu machen.

Wie sich her­aus­stell­te, offen­bar­te die an die Tagung anschlie­ßen­de Dis­kus­si­on die defi­zi­tä­re Situa­ti­on und Gestal­tung des Stu­di­en­gangs Psy­cho­lo­gie, bemerk­te man doch eine Unzu­frie­den­heit mit der der­zei­ti­gen Leh­re und die Not­wen­dig­keit psy­cho­ana­ly­ti­scher Inhal­te auf­grund der häu­fi­gen an das Stu­di­um anschlie­ßen­de Berufs­wahl des Psy­cho­the­ra­peu­ten. Eine ein­sei­ti­ge ver­hal­tens­the­ra­peu­tisch-ori­en­tier­te Leh­re erschien allen Anwe­sen­den als nicht erstre­bens­wert, schließt sie doch wich­ti­ge und der Psy­cho­lo­gie eige­ne Kon­zep­te aus.

Für die Per­so­nen, die nicht teil­neh­men konn­ten, haben wir Video- und Audio-Mit­schnit­te erstellt.
Wir möch­ten uns noch ein­mal bei allen Red­nern und Besu­chern herz­lich für ihre Bei­trä­ge bedan­ken und hof­fen, Sie und Euch im nächs­ten Jahr wie­der begrüßen zu dürfen!

Programm

Warum Psychoanalyse zur akademischen Bildung gehört, ohne Studienfach sein zu müssen

mit Univ.-Prof. Dr. Mat­thi­as Kettner

Pro­fes­sor für prak­ti­sche Phi­lo­so­phie und Dekan der Fakul­tät für das Stu­di­um Fun­da­men­ta­le, Uni­ver­si­tät Witten-Herdecke

Der ers­te Vor­trag am Mor­gen unse­rer Tagung von Prof. Dr. Kett­ner schaff­te es unser Tagungs­the­ma ein­zu­lei­ten. Es wur­de die der­zei­ti­ge Situa­ti­on der Psy­cho­ana­ly­se an Uni­ver­si­tä­ten ver­deut­licht und auf ihre Wich­tig­keit im Hin­blick auf die Viel­fäl­tig­keit der Leh­re im Bereich Psy­cho­lo­gie sowie ihre Ver­an­ke­rung im All­tags­le­ben hin­ge­wie­sen. Wei­ter­hin gehö­re neben der aka­de­mi­schen Bil­dung auch die Per­sön­lich­keits­bil­dung zu einer Auf­ga­be, die Uni­ver­si­tä­ten leis­ten soll­ten. Schon Freud sag­te, dass die Psy­cho­ana­ly­se als The­ra­pie nicht das Wich­tigs­te sei, die Psy­cho­ana­ly­se bie­te viel mehr als das. Die Psy­cho­lo­gie des Unbe­wuss­ten sei eher ein Teil der Psy­cho­lo­gie. Laut Prof. Dr. Kett­ner sind Men­schen „sinn­bil­den­de Wesen“ und ver­deut­lich­te, dass ein spe­zi­fi­sches Men­schen­bild nicht in jedem Fach­be­reich übereinstimmen müsse, um bestehen zu dürfen. Ein „sinn­bil­den­des Wesen“ kön­ne mit der Kon­flikt­theo­rie der Psy­cho­ana­ly­se verknüpft wer­den, wel­che von kei­nem ande­ren Bereich übernommen würde.

Prof. Dr. Kett­ner ver­deut­lich­te, dass psy­cho­ana­ly­ti­sche Begrif­fe bereits im all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch ver­an­kert, und typi­sche Schlag­wor­te dadurch tri­via­li­siert sei­en. Die Uni­ver­si­tät habe die Auf­ga­be, die­ses tri­via­le All­ge­mein­wis­sen wie­der „scharf zu stel­len“. Als wei­te­rer ele­men­ta­rer Grund für die Inte­gra­ti­on der Psy­cho­ana­ly­se an den Uni­ver­si­tä­ten nann­te Prof. Dr. Kett­ner die Per­sön­lich­keits­bil­dung, die auf­grund der der­zei­ti­gen uni­ver­si­tä­ren Struk­tur in den pri­va­ten Bereich abge­scho­ben würde. Die Per­sön­lich­keits­bil­dung sei in die­sem Lebens­ab­schnitt von gro­ßer Bedeu­tung und gehör­te seit jeher zur aka­de­mi­schen Bil­dung. Beson­ders die Psy­cho­ana­ly­se bie­te Mög­lich­kei­ten, mit denen es sich „bes­ser leben“ kön­ne, sie leis­te mehr als ande­re Psy­cho­lo­gien. Die Uni­ver­si­tät sol­le die Anfor­de­rung an sich selbst haben, eine Refle­xi­on auf das „gute und rich­ti­ge Leben“ ein­zu­schlie­ßen. Der Schlüsselbegriff „Selbst­re­fle­xi­ons­fä­hig­keit erwei­tern“ sei zen­tral und eine genui­ne Leis­tung der Psy­cho­ana­ly­se, die kein der­ar­ti­ges Äqui­va­lent besäße.

Wir bedan­ken uns bei Prof. Dr. Kett­ner für die­sen anre­gen­den Vortrag!

Das Wissenschaftsverständnis der Psychoanalyse

mit Dr. med. Heri­bert Blaß

Fach­arzt für Psy­cho­so­ma­ti­sche Medi­zin und Psy­cho­the­ra­pie, Psy­cho­ana­ly­ti­ker (DPV)

Schon in der Dis­kus­si­on des ers­ten Vor­trags war deut­lich gewor­den, dass die Fra­ge nach der Wis­sen­schaft­lich­keit der Psy­cho­ana­ly­se von immenser Bedeu­tung für ihr Ver­hält­nis zur uni­ver­si­tä­ren Psy­cho­lo­gie ist. Herr Dr. Blaß zeig­te in sei­nem fol­gen­den Vor­trag über „Das Wis­sen­schafts­ver­ständ­nis der Psy­cho­ana­ly­se“, dass die­ses Kon­flikt­feld die Psy­cho­ana­ly­se seit ihrer Ent­ste­hung prägt. Wäh­rend im psy­cho­ana­ly­ti­schen Dis­kurs immer wie­der die posi­ti­vis­ti­sche Posi­ti­on, die Psy­cho­ana­ly­se sei nicht wis­sen­schaft­lich und dürfe nicht an die Uni­ver­si­tät, und die ortho­do­xe Posi­ti­on, die Psy­cho­ana­ly­se sei qua­si auto­nom und die Uni­ver­si­tät dürfe nicht an sie, bezo­gen wur­den, such­ten heu­ti­ge Autoren zuneh­mend nach einem drit­ten Stand­punkt. Die­ser beinhal­te die Verknüpfung quan­ti­ta­ti­ver und qua­li­ta­ti­ver For­schung und gehe die Män­gel der Unter­su­chun­gen auf Grup­pen­e­be­ne eben­so an wie die der nar­ra­ti­ven Fallstudien. 

Wir sind Herrn Dr. Blaß dank­bar für den tief­ge­hen­den Blick in die psy­cho­ana­ly­ti­sche For­schung – und für einen opti­mis­ti­schen in die Zukunft.

Entwicklungen an staatlichen und privaten Universitäten am Beispiel der IPU

mit Prof. Dr. phil. Mar­tin Teising

Prä­si­dent der Inter­na­tio­nal Psy­cho­ana­ly­tic Uni­ver­si­ty, Fach­arzt für Psych­ia­trie und Psy­cho­the­ra­pie und Psy­cho­so­ma­tik, Psy­cho­ana­ly­ti­ker und ehe­ma­li­ger Vor­sit­zen­der der DPV

Herr Pro­fes­sor Tei­sing begann sei­nen Vor­trag mit einer überraschenden Beob­ach­tung. Dass Wer­bung für die Inter­na­tio­nal Psy­cho­ana­ly­tic Uni­ver­si­ty, deren Prä­si­dent er ist, doch nicht das Ziel sei­nes Vor­trags sein soll­te und wir kei­ne Fly­er aus­le­gen woll­ten, schien ihm ein Sym­ptom für den grund­le­gen­den Kon­flikt in der Hal­tung zur IPU. Auch in unse­rem Ver­ein ver­mu­te­te er daher zwei Lager: Eines, das die Pri­vat­uni­ver­si­tät IPU als Chan­ce für die Psy­cho­ana­ly­se begrei­fe, und eines, das in der IPU den endgültigen Rückzug der Psy­cho­ana­ly­se aus den staat­li­chen Uni­ver­si­tä­ten sehe. Wäre aber eine drit­te Posi­ti­on, die die IPU als not­wen­di­ge Ergän­zung ange­sichts der uni­ver­si­tä­ren Ver­drän­gung der Psy­cho­ana­ly­se begrüße, nicht lang­fris­tig für alle Sei­ten die bes­te Lösung? Die Fra­ge, wel­che Mög­lich­kei­ten staat­li­che Uni­ver­si­tä­ten im Hin­blick auf eine bes­se­re Inte­gra­ti­on der Psy­cho­ana­ly­se haben und leis­ten soll­ten, blieb in die­sem Kon­text lei­der unbeantwortet. 

Wir dan­ken Herrn Pro­fes­sor Tei­sing für die Anre­gung, die­se span­nen­den Fra­gen am Bei­spiel der Inter­na­tio­nal Psy­cho­ana­ly­tic Uni­ver­si­ty kri­tisch zu diskutieren.

Zur Notwendigkeit, analytische Kulturtheorie und klinische Psychoanalyse gemeinsam gesellschaftlich und universitär zu verankern

mit Dipl.-Psych. Chris­ta Leiendecker

Psy­cho­lo­gi­sche Psy­cho­the­ra­peu­tin, Psy­cho­ana­ly­ti­ke­rin (DPV)

Frau Lei­en­de­cker erör­ter­te in ihrem Vor­trag die enge Inter­de­pe­denz von kli­ni­scher Psy­cho­ana­ly­se und ana­ly­ti­scher Kul­tur­theo­rie anhand eines his­to­ri­schen Rückblicks auf ihre Ent­wick­lung in Deutsch­land. Die gesell­schaft­li­che Rezep­ti­on der Psy­cho­ana­ly­se und die Imple­men­tie­rung als Wis­sen­schaft an Uni­ver­si­tä­ten, sowie als kli­ni­sche Heil­me­tho­de sei auch stark von den jeweils herr­schen­den gesell­schaft­li­chen und ins­be­son­de­re poli­ti­schen Ver­hält­nis­sen abhängig.

Laut Frau Lei­en­de­cker muss die Psy­cho­ana­ly­se an Uni­ver­si­tä­ten wie­der umfas­send gelehrt wer­den um das Men­schen­bild der Psy­cho­ana­ly­se wie­der in den gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Dis­kurs und auch in die gesell­schaft­li­chen Vor­stel­lun­gen über das kran­ke Sub­jekt und des­sen mög­li­che Hei­lung zu brin­gen. Hierfür nann­te sie wei­ter­hin die Not­wen­dig­keit ihrer Befor­schung um als kli­ni­sche Behand­lungs­me­tho­de inner­halb des Gesund­heits­sys­tems wei­ter­hin qua­li­fi­ziert zur Verfügung zu stehen.

Wir dan­ken Frau Lei­en­de­cker für die­sen span­nen­den Vor­trag und ihre Fürsprache.

Vorstellung der Studie: Wie wird man Psychotherapeut und wie entscheidet man sich für seine psychotherapeutische Schule?

mit Dr. Rupert Martin

Psy­cho­lo­gi­scher Psy­cho­the­ra­peut, Psy­cho­ana­ly­ti­ker (DPV)

Dr. Mar­tins Stu­die war ein­ge­bet­tet in ein grö­ße­res Pro­jekt (Deve­lo­p­ment Psy­cho­ana­ly­tic Prac­ti­ce and Trai­ning – DPPT), das von der Inter­na­tio­na­len Psy­cho­ana­ly­ti­schen Ver­ei­ni­gung 2004 ins Leben geru­fen wur­de, um den Rückgang der Bewer­ber­zah­len für die psy­cho­ana­ly­ti­sche Aus­bil­dung zu unter­su­chen. Dr. Mar­tin beschäf­tig­te sich dar­in mit der Fra­ge, was Psy­cho­lo­gie-Stu­die­ren­de moti­viert Psy­cho­the­ra­peut zu wer­den und was die Wahl einer psy­cho­dy­na­mi­schen The­ra­pie­aus­bil­dung bestimmt.

In den vie­len Inter­views, die Dr. Rupert Mar­tin gemein­sam mit sei­nem Kol­le­gen Dr. Micha­el Koe­nen über meh­re­re Jah­re mit Aus­bil­dungs­kan­di­da­ten geführt haben, tra­ten deut­li­che Unter­schie­de zwi­schen den the­ra­peu­ti­schen Schu­len her­vor. So woll­te kaum einer der ver­hal­tens­the­ra­peu­ti­schen Kan­di­da­ten die Nar­ra­ti­on sei­nes Inter­views, die auch den in meh­re­ren Pro­zes­sen her­aus­ge­ar­bei­te­ten unbe­wuss­ten Gehalt ent­hielt, zur Ver­öf­fent­li­chung frei­ge­ben, obwohl sie sie eben­falls für zutref­fend hiel­ten. Auch waren eine beson­ders inten­si­ve Beschäf­ti­gung mit dem eige­nen Wer­de­gang und eine stark aus­ge­präg­te Berufs­iden­ti­tät eher bei den Kan­di­da­ten der psy­cho­dy­na­mi­schen Aus­bil­dun­gen zu fin­den, wäh­rend die ange­hen­den Ver­hal­tens­the­ra­peu­ten in der Regel sehr viel nüchterner und prag­ma­ti­scher mit ihrer Berufs­wahl umgin­gen. Die Stu­die zeigt uns zwar, wie wich­tig eine Nei­gung zur Selbst­re­flek­ti­on als Vor­aus­set­zung für das Inter­es­se an Psy­cho­ana­ly­se ist – aber auch vor allem, dass die uni­ver­si­tä­re Leh­re häu­fig der wich­tigs­te Ein­fluss auf die Wahl der the­ra­peu­ti­schen Schu­le ist.

Wir dan­ken Dr. Rupert Mar­tin für eine span­nen­de Aus­ein­an­der­set­zung mit der psy­cho­the­ra­peu­ti­schen Berufsidentität.

Weiterführende Links

Bei­trag über die Ver­an­stal­tung von Dr. med Sön­ke Behnsen

Die universitäre Psychologie auf der Couch

Mit Univ.-Prof. Dr. Matthias Kettner, Dr. med. Heribert Blaß, Prof. Dr. phil. Martin Teising, Dipl.-Psych. Christa Leiendecker, Dr. Rupert Martin

27.04.2013 // Universität zu Köln

Organisiert und veranstaltet von IDPAU e.V.